Hotels üben seit jeher eine Faszination auf Kirsten Wellig aus. Wenn sie in eine Hotelhalle tritt, spürt sie das Haus und sieht sofort, wie sie ihre Arrangements in Szene setzen kann. Dabei bleibt sie sich selbst und ihrem Stil treu. «Wenn man in ein Hotel kommt, soll eine harmonische Atmosphäre den Gast willkommen heissen», sagt sie, «ohne dass die Räume überdekoriert wirken.»
Was ist die Philosophie von Kirsten Wellig und ihrer Firma “BlumenKunstWerke”? «Ich mag es, mit natürlichen Materialien zu arbeiten, nutze aber auch alles, was es an künstlichen Blumen gibt, oder Dinge, die sich im Hotel gut halten oder dort bereits vorhanden sind. Manchmal stelle ich die Farbe in den Fokus, dann ist es vielleicht wieder die Form. Ich mische ganz bewusst Seidenblumen mit getrockneten und frischen Blumen. Ich liebe Überschneidungen, das Unkonventionelle, das Wilde manchmal. Diese Arbeitsweise ist in gewisser Hinsicht nachhaltiger. Wir versuchen die frischen Blumen, die wir verwenden zu trocknen, um sie dann später als Trockenblumen in neuen Arrangements einzusetzen. Im Engadin hat es nur wenig verwendbare Blumen. Während des Winters wächst über Monate gar nichts. Im Sommer können wir einige Wiesenblumen verwenden, die meisten Alpenblumen sind jedoch geschützt und dürfen gar nicht gepflückt werden.»
Kirsten Wellig liebt die Arbeit für das Hotel Walther: «Hier wird sehr viel Wert auf gutes Handwerk und Individualität gelegt. Ausserdem geniesse ich sehr viel Freiheit, was auch eine Herausforderung sein kann. Gerne tausche ich mich mit den anderen Mitabeitenden im Hotel oder mit der Innenarchitektin Virginia Maissen aus. Innerhalb des Hotel Walther gibt es verschiedene Bereiche – die Lobby hat ein ganz anderes Farbkonzept als etwa die Bar mit den Lichtobjekten von Rolf Sachs oder das Grand Restaurant. Der Stil in der La Trattoria ist dann nochmals ein ganz anderes Thema. Diese Vielfalt zieht sich weiter zum Steinbock und in die Gondolezza. Im Gegensatz zu vielen üblichen Hotels, wo einfach eine Menge Gestecke produziert und dann im Hotel verteilt werden, bleibt die Arbeit so stets abwechslungsreich und spannend.» Mittlerweile übernimmt die kreative Hotelfloristin auch die florale Gestaltung der Aussenbereiche. Dies umfasst Balkone, Terrassen, Blumenbeete, usw. Vor der Trattoria blühen Kübel mit mediterranen Pflanzen. Die Balkone des Hotel Walther werden sommerlich-edel, jene des Steinbocks alpin–sommerlich gestaltet, die Gartenterrasse im Walther blüht und duftet, die Lobby-Veranda ist mit essbaren Kräutern und weiteren Raritäten wie auch Tomaten und Erdbeeren bepflanzt. Die bunten Blumenbeete rund ums Haus sind einer Alpenwiese nachempfunden. Auf dem Rundgang durch die Gartenlandschaft der Hotels Walther und Steinbock gibt es einiges zu entdecken: Zitrusgewächse, fünfzehn unterschiedliche Pfefferminzsorten, Edelweiss, Blaudisteln, Erd- und Stachelbeeren, Kräuter, Olivenbüsche, Rosenpflanzen und vieles mehr. Geranien und Petunien findet man zwar auch, aber nur Sonderfarben und Sorten, die weniger bekannt sind. Unser absoluter Liebling im Innenbereich ist die Medinilla magnifica
Melastomataceae, aussen die Begonie-Tuberhybridengruppe – diese blüht sehr üppig über den gesamten Engadiner Sommer. Die Zusammenarbeit mit dem Hotel Walther startete rein zufällig. Anne-Rose Walther hatte eine Visitenkarte von “BlumenKunstWerke” beim Coiffeur eingesteckt, gegen Ende der Neugestaltung im Jahr 2017 beauftragte sie in der Folge Kirsten Wellig mit der Floristik für die Eröffnung. «Das war eine ganz besondere Situation, da ich noch nie im Hotel Walther gewesen war und das Haus nur als Baustelle und von den Plänen her kannte. Das erarbeitete Konzept passte trotzdem perfekt, und daraus entwickelte sich eine wunderbare Zusammenarbeit.»
Nach ihrer Ausbildung wollte Kirsten Wellig die Welt kennen lernen, zudem reizten sie die grossen Dimensionen der Floristik. Die Stelle bei einer Eventagentur in Las Vegas hatte sie bereits in der Tasche, auch in London hatte sie sich beworben. Zur Überbrückung kam sie für einen Winter nach St. Moritz und ist im Engadin hängen geblieben. «Es hat mir so gut gefallen hier oben, ich liebe den Winter und die Arbeit als Hotelfloristin war schon immer mein Traum.» Jetzt, nach über 20 Jahren, lebt sie immer noch hier, ist mit einem Samedaner verheiratet, hat einen 13-jährigen Sohn und mit viel Organisationsgeschick ihr eigenes Floristikunternehmen aufgebaut, das aus einem Team von drei Floristinnen besteht.
Wie ist es eigentlich dazu gekommen, und wie funktioniert das Erfolgsmodell von Kirsten Wellig? «Während der Mutterschaft zuhause hatte ich Zeit, mir zu überlegen, was ich als Floristin in der Zukunft wollte. Zurück in ein Blumengeschäft? In ein Hotel? Die Faszination Hotel war immer da. Im 5-Sterne- Bereich hat man als Floristin jedoch keine grossen Freiheiten und die kleineren Betriebe leisteten sich keine eigene Floristin. An vielen Orten war der Blumenschmuck sehr beliebig und austauschbar, jemand vom Team übernahm die Aufgabe … oder die Hotelière. Vielleicht kann ich den Service stundenweise anbieten oder im Abo? Genau so habe ich begonnen, und nach der Neueröffnung im Hotel Walther ging es dann Schlag auf Schlag! Ich bekam Anfragen von Restaurants und kleineren Hotels, verkaufte Schnittblumenabos. Ich nutzte Dekomaterial, das in den Hotels vorhanden war. Man kann ja nicht jedes Jahr alles neu kaufen. Der Einsatz von künstlichen und getrockneten Blumen ist nachhaltiger und in der Kombination mit Frischblumen wirkungsvoll. Dekomaterial bieten wir inzwischen zur Miete und zum Verkauf an. Attraktiv ist auch die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden im Hotel. Im Walther übernehmen wir zum Beispiel den Einkauf und die Gestaltung auf den Etagen, die Zimmerfrauen sind dann für die Pflege verantwortlich. Im Aussenbreich erstellen wir ein Muster für die Balkonkästen, die Ausführung wird dann vom Hausgärtner übernommen. Das Angebot in unserem Team umfasst mittlerweile auch die florale Gestaltung bei Events und Hochzeiten, für Private sowie in Ferienwohnungen. Meine Leidenschaft gilt dem Handwerk und meine Dankbarkeit dem grossen Vertrauen und der Freiheit, die ich bei meiner Arbeit erfahren darf.»